An Adolf Hitlers Geburtstag begann das extrem rechte „Schild und Schwert“-Festival im Sächsischen Ostritz, ein zweitägiges Festival mit einem Liederabend, einem Rechtsrockkonzert, einem Kampfsportturnier und einer Tattoo-Convention. Jürgen Kasek, Rechtsanwalt und politischer Aktivist, u.a. auch im Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ war vor Ort und hat sich an den Gegenprotesten beteiligt. Im Gespräch mit Madeleine Henfling schildert er seine Eindrücke.
Madeleine Henfling: Wie bewertest Du das komplexe zweitägige extrem rechte Festival in Ostritz?
Jürgen Kasek: Es ist schon bedrückend, dass solch ein Festival stattfinden kann. Mehrere hundert Neonazis feiern den Geburtstag von Adolf Hitler. Dabei wurde der Nationalsozialismus immer wieder klar verherrlicht. Das Entscheidende ist aber, dass der zivilgesellschaftliche Protest den Deutungsrahmen setzt und damit der Versuch der Neonazis hier Raum zu ergreifen nicht erfolgreich war. Trotzdem ist davon auszugehen, dass weitere Veranstaltungen in Ostritz stattfinden, da sich das Grundstück direkt dafür anbietet. Umso notwendiger ist es daher, dass es uns gelingt die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken und zu unterstützen und das Ostritz und der Landkreis deutlich machen, dass alte und neue Rechte ausdrücklich nicht willkommen sind.
Madeleine Henfling: Wer waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer des extrem rechten Festivals?
Jürgen Kasek: Das überwiegende Klientel der Veranstaltung war klar der Kleidung nach zu beurteilen dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen. Ganz unverhohlen wurde der Nationalsozialismus gefeiert. Interessanterweise wurden auch Mitglieder der Identitären Bewegung gesehen und eine Gruppe, die regelmäßig für die Identitäre Bewegung Ordnerdienste übernimmt. Interessant ist dies daher, da sich die Identitäre Bewegung hin und wieder versucht von der neonazistischen Kameradschaftsszene abzugrenzen. Das Publikum bestand aus Neonazis und das wurde auch offen zur Schau getragen, bis hin zu Rufen wie: “Hurra, Hurra- die Nazis, die sind da.“
Madeleine Henfling: Wie beurteilst Du den Gegenprotest?
Jürgen Kasek: Nach einigen Debatten im Vorfeld gab es zwei Gegenveranstaltungen. Das Friedensfest unter Schirmherrschaft des Sächsischen Ministerpräsidenten und einem eher bürgerlich geprägten Publikum und das „Rechts rockt nicht“-Festival mit einem eher jugendlich, antifaschistischen Publikum. Interessanterweise hat der Ministerpräsident auch das deutlich linke „Rechts rockt nicht“-Festival als legitim bezeichnet und die Gemeinsamkeiten betont. Das war im Vorfeld nicht zu erwarten. Zwischen beiden Veranstaltungen gab es einen direkten Weg, der auch polizeilich gesichert war, aber der auch von 2 Straßen geschnitten wurden, die die Neonazis auf dem Weg zum Penny queren mussten, so dass es auch zu einer Sitzblockade und mehreren Wortgefechten und Scharmützeln kam. Insgesamt war es eine seltsame Stimmung. Auch beim Friedensfest tauchten immer wieder Nazi- Kleingruppen auf. Es lag eine deutliche Spannung über den Tagen. Dafür blieb es fast schon überraschend weitgehend störungsfrei. Es ist zudem ein starkes solidarisches Zeichen, dass allein aus Dresden und Leipzig zusammen fast 300 Menschen nach Ostritz gefahren sind und sich auch Genossen aus Hessen und Thüringen angeschlossen haben. Das macht Hoffnung für die Zukunft.
Madeleine Henfling: Wie bewertest Du das Vorgehen und Verhalten der Polizei?
Jürgen Kasek: Insgesamt war die Polizei fast schon überraschend freundlich und kooperativ. Auch die angekündigten scharfen Vorkontrollen waren weit weniger intensiv auf unserer Seite, wie zu befürchten war. Man war meines Erachtens deutlich bemüht sicherzustellen, dass es nicht zu Auseinandersetzungen kommt. Problematisch war zum einen der Umgang mit verfassungsfeindlichen Aufdrucken, wie die des Sicherheitsdienstes, die ein Wappen einer SS Waffen- Division trugen. Da hat die Prüfung der Strafbarkeit deutlich zu lange gedauert und die Hinweise dazu kamen von Antifaschistinnen und Antifaschisten und nicht von der Polizei selber. Zum anderen gab es noch deutlich mehr Aufschriften, die man strenger hätte bewerten müssen, angefangen bei „Landser“ und „Combat 18“ T-Shirts. Zum anderen waren die Regelungen zum Alkoholverbot nicht optimal. Es ist nicht verständlich, warum auch deutlich alkoholisierte Neonazis Zugang zum Gelände hatten und in der Stadt an einer zentralen Stelle den querenden Neonazis der Vorrang eingeräumt wurde, vor querenden Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten. Erst nach Intervention unseres Anwaltsteams konnten überhaupt erst Menschen wieder zum Friedensfest gehen. Da hätte man auch anders agieren können und müssen. Auch dass in anderen Bereichen der Stadt Neonazis mehr oder weniger ohne Begleitung herumlaufen konnten, war problematisch.