Liebe Demonstrantinnen und liebe Demonstranten,
liebe Antifaschistinnen und liebe Antifaschisten,
Mein Name ist Madeleine Henfling. Ich bin Landtagsabgeordnete für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Thüringer Landtag. Ich bin Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus und Obfrau im NSU Untersuchungsausschuss. Im letzten Jahr habe ich unteranderem mit meiner Kollegin Katharina König-Preuss die Rechtsrockveranstaltungen in Themarbeobachtet.
Aus persönlichen Gründen kann ich heute leider nicht solidarisch an Eurer Seite stehen, was ich gern gemacht hätte,
um gegen dieses Nazifestival,
um gegen diese Neonazis zu demonstrieren,
um gegen antisemitisches, um gegen rassistisches Gedankengut, um gegen Hass ein starkes Zeichen zu setzen.
Wir erleben gerade eine besonders dynamische und polarisierte Phase in Deutschland. Seit dem Einzug der AfD in fast alle Landesparlamente und den Bundestagsind nicht nur rassistische, frauenfeindliche und homophobe Äußerungen an der Tagesordnung in Parlamenten und Öffentlichkeit. Auch die neonazistischen Ansichten und Auffassungen finden durch die AfD wieder Einzug in die breite öffentliche Debatte. Es sprießen fortlaufend neue neonazistische und extrem rechte Gruppierung wie Pilze aus dem Boden. Und die rechtsterroristische Gefahr begleitet uns auch wenn die Ereignisse der letzten Wochen mit Durchsuchungen in der Reichsbürgerszene nicht zum großen Aufschrei der Öffentlichkeit führten. Dieses Rechtsrockfestival ist ein Aspekt des rechtsextremen Gesamtgepräges in Deutschland und gleichzeitig ein Schmelztiegel verschiedener neonazistischer Gruppen. Wir können und wollen nicht einfach hinnehmen, dass Neonazis bundesweit und international zu solchen Veranstaltungen mobilisieren und unsere Ortschaften mit ihrer menschenverachtenden Ideologie überrollen.
Das was hier gerade stattfindet, ein extrem rechtes Wohlfühl-Event, mit Liederabend, Rechtsrockmusik, Kampfturnier und Tattoo-Convention, ist die Blaupause für ein Veranstaltungsformat, das auch in Thüringen und in anderen Bundesländern stattfinden könnte und eventuell auch wird. Rechtsrockfestivals sind nicht einfach ein Problem einzelner Bundesländer, sondern ein gesamtdeutsches, wenn nicht sogar gesamteuropäisches.
Das groteske an dieser Veranstaltung ist, dass sie wie die vielen anderen Rechtsrockveranstaltungen unter freiem Himmel als politische Versammlung angemeldet ist und so einen grundgesetzlichen Schutz genießt.
Ja, diese Veranstaltungen sind politisch, aber vor allem sind sie Vergnügungsveranstaltung, in der sich die extrem rechte Szene eine goldene Nase verdient. Der Zutritt wird unter Bedingung einer „Eintrittsspende“ gestattet. Für dieses Festival konnte man bereits im Vorfeld Eintrittskarten über die Internetseite kaufen. Die Fankarte kostete 195,- €, die Eintrittskarten im Vorverkauf kostete für den Freitag 15,- € und für den Samstag 35,- € und für beide Tag 45,- €.
Anhand der Eintrittspreise und den Teilnehmerzahlen haben wir in Thüringen bspw. berechnet, dass die Veranstalter des „Rock für Deutschland“ in Gera 2017 ca. 21.000 € verdient haben. Durch „Rock gegen Überfremdung“ in Themar 2017, woran sich ca. 6.000 Neonazis beteiligten, setzten die Veranstalter rund 210.000 € durch die sogenannten„Eintrittsspenden“ um. Zu diesen Berechnungen sind die Umsätze durch andere Einnahmequellen, wie Standmieten und Getränkeausschank nicht mit eingerechnet.
Eigentlich möchte man sich nicht ausmalen, was mit dem Geld passiert. Aber es bringt auch nichts sich die Augen vor der Realität zu verschließen:
Es werden extrem rechte Strukturen unterstützt.
Es werden Immobilien aufgekauft.
Es werden Gewerbe gegründet.
Die Neonaziszene lebt sicher gut von solchen Veranstaltungen und sie unterstützt und baut damit extrem Rechte Strukturen aus. Hier gilt es anzusetzen, hier muss der Staat aktiv werden müssen die Finanzbehörden Geldflüsse analysieren und genauer hinschauen was mit den Einnahmen passiert.
Das Geld ist das Eine die Vernetzung ist das Andere. Die wenigsten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Ostritzer. Sie sind von vielen verschiedenen Ecken des Landes angereist, auch aus Thüringen. Diese Festivals sind Schmelztiegel der extrem rechten Vernetzung. Durch dieses komplexe Veranstaltungsformat werden die bereits bestehenden Verbindungen von den extrem rechten Rechtsrock-, Kampfsport- und Tattooszenen vertieft und gestärkt. Das Blood an Hounour Netzwerk spielt gerade in dieser Szene eine bedeutende Rolle. Thorsten Heise ist hier kein Unbekannter und wir müssen hier eine klare Kontinuität auch nach der Selbstenttarnung des NSU feststellen. Viele der heute in der Rechtsrockszene handelnden Personen und Strukturen kenne wir aus dem NSU- Komplex und damit aus dem Unterstützerkreis von Bönhardt, Mundlos und Zschäpe.
Der zivilgesellschaftliche Gegenprotest ist ein wichtiges Mittel, um gegen diese Zusammenrottungen vorzugehen. Euer Protest ist wichtig, um zu zeigen, dass solch ein Event nicht einfach hingenommen wird, dass solche Festivals nicht Teil unseres Alltags sind und sein sollen, dass diese Veranstaltungen keine stinknormalenMusikveranstaltungen sind.
Ihr nehmt dieses Festival nicht einfach hin. Das ist ein wichtiges Zeichen. Vielen Dank für Euren wichtigen Einsatz.
Wir protestieren, wir nehmen es nicht hin, weil wir müssen, weil wir wissen, wenn nicht jetzt, wann dann?
Mit solidarischen Grüßen aus Thüringen
Eure Madeleine