Pressemitteilung

Rechtsstaat braucht Aufklärung

Der Fall um Beate Zschäpe und vier weitere Mitangeklagte wurde seit fünf Jahren vor dem Oberlandesgericht in München verhandelt. Nun endet der Prozess mit dem Urteilsspruch.

Madeleine Henfling, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus und Obfrau im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss für die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beurteilt das Ende des Prozesses:

„Es sind noch viele Fragen offen geblieben, die der Prozess nicht beantworten konnte: Wieso sind ausgerechnet diese zehn Menschen ermordet worden? Hat der Fakt, dass die Hälfte der Morde in Bayern verübt wurde, eine besondere Bedeutung für den NSU-Komplex? Wieso wurden zwei Polizist*innen Opfer der NSU-Verbrechen? Und welche Helferinnen und Helfer des NSU sind noch nicht identifiziert bzw. Teil weiterer Ermittlungen? Es scheint, dass wir nur die Spitze des Eisbergs im NSU-Komplex sehen und kennen.

Aus Thüringer Sicht werden wir auch weiterhin das Licht auf die dunklen Flecken richten. Nachdem sich der NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen bereits mit den Geschehnissen in Eisenach-Stregda befasst hat, beschäftigen wir uns aktuell mit dem NSU-Netzwerk und wollen uns auch mit dem Mord an der Thüringerin Michèle Kiesewetter auseinandersetzen.

Auf Seiten der parlamentarischen Aufklärung braucht es ein parlamentarisches Format auf Bundesebene, das die Erkenntnisse der verschiedenen Untersuchungsausschüsse zusammenführt und für offen gebliebene Fragen Antworten sucht. Der NSU-Komplex braucht eine uneingeschränkte Aufklärung. Das sind wir den Opferangehörigen schuldig.

Zudem dürfen wir nicht zulassen, dass die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates auf dem Spiel steht. Rechtsstaat braucht Aufklärung“, so Madeleine Henfling.

„Das Prozessende darf auf keinen Fall ein Ende der Aufklärung bedeuten. Dafür liegen noch zu wenige Erkenntnisse gerade in Bezug auf das Netzwerk des NSU auf dem Tisch. Nach allem was wir aus den Untersuchungsausschüssen wissen, kann sich der NSU nicht nur auf Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beschränkt haben. Und selbst die Mitangeklagten sind aus unserer Sicht nur ein Teil der Unterstützer*innen des NSU“, so Madeleine Henfling abschließend.

Hintergrund:

Am Morgen des 4. November 2011 wird in Eisenach eine Bank ausgeraubt. Bei der Suche nach den Tätern wird ein Wohnmobil in Eisenach-Stregda entdeckt, worin die Bankräuber vermutet werden. Nach mehreren Schüssen, die aus dem Wohnmobil ausgehen, beginnt das Wohnmobil zu brennen. Die Feuerwehr löscht den Brand. Es werden die Leichen von zwei Männern im Wohnmobil entdeckt. Es sind die Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Nach einigen Tagen stellt sich Beate Zschäpe der Polizei.

Böhnhardt, Mundlos und Beate Zschäpe wuchsen in Jena auf, sozialisierten und politisierten sich dort. Sie nehmen die rechtsextreme Ideologie an und werden zu Neonazis. Nach dem Fund einer Bombenwerkstatt gehen sie gemeinsam 1998 von Thüringen aus in den Untergrund.

Aus dem Untergrund heraus begehen die drei untergetauchten Rechtsterrorist*innen drei Sprengstoffanschläge in Köln und Nürnberg und verüben 15 Raubüberfälle und töten 10 Menschen:

Enver Şimşek
Abdurrahim Özüdoğru
Süleyman Taşköprü
Habil Kılıç
Mehmet Turgut
İsmail Yaşar
Θεόδωρος Βουλγαρίδης (Theodoros Boulgarides)
Mehmet Kubaşık
Halit Yozgat
Michèle Kiesewetter

 

>> Für Interessierte: Hier spricht Madeleine Henfling im Thüringer Landtag zur NSU-Aufklärung