Rede

Solidarität für die Betroffenen des Naziübergriffs in Ballstädt

Liebe Menschen,

Zunächst möchte ich euch allen herzlich danken, dass ihr heute hier seid, dass ihr und insbesondere die Omas gegen Rechts, in den letzten Wochen den Ballstädtprozess begleiten und damit vor allem eure Solidarität mit den Betroffenen ausdrückt und diesen zur Seite steht. Danke euch!

Der Ballstädtprozess ist ein Beispiel dafür wie wir als Gesellschaft versagen, wenn es darum geht Betroffenen von rechter Gewalt zu ihrem Recht zu verhelfen. Nicht nur, dass durch Verfahrensfehler der ganze Prozess neu aufgerollt wird und damit eine weitere Traumatisierung für die Betroffenen einhergeht, nein auch die Tatsache, dass relevante Teile des Prozessgeschehens, nämlich die Nebenklage in Verabredungen nicht mit einbezogen wird ist ein enormes Problem. Es geht hier aber eben auch nicht um einen Einzelfall innerhalb der Justiz, bei dem etwas schiefgelaufen ist, sondern es geht um die Frage ob die Justiz, und zwar nicht nur in Thüringen in der Lage ist adäquat auf rechte Gewalt zu reagieren und entsprechend dafür zu sorgen, das rechte und rassistische Gewalt auch Konsequenzen hat.

In Thüringen und Deutschland erleben wir in den letzten Jahrzehnten eine Kontinuität extrem rechter Aktivitäten, Straftaten und Gewalttaten. Für die jüngste Zeit seien hier vor allem der NSU- die rechtsterroristischen Attentate von Hanau und Halle oder die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erwähnt. Auch in Thüringen gab und gibt es immer wieder brutale Übergriffe auf PoC, Journalist*innen und vermeintliche Linke wie der aktuell diskutierte Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt, der Übergriff auf eine Gruppe von Menschen vor der Staatskanzlei und auf das AJZ, der brutale Übergriff auf Journalisten in Fretterode oder der Angriff auf einen jungen Syrer in einer Erfurter Straßenbahn. Hinzu kommt, dass sich unterschiedliche Akteur*innen der extremen Rechten in den letzten Jahren zunehmend vernetzen und rassistische und menschenverachtende Diskussionen durch die
Höcke-AfD im Parlament massiv verstärkt werden. Die auf Verschwörungsideologien basierenden Corona-Proteste in den letzten Monaten verstärken hier zusätzlich autoritäre Vorstellungen und antidemokratische, antisemitische und rassistische Erzählungen und Positionen.  Neben dem Engagement der Zivilgesellschaft sind vor allem Politik und der Rechtsstaat gefragt, extrem Rechten Aktivitäten und Straftaten klar entgegenzutreten.  

Und wenn wir tatsächlich zu der aus meiner Sicht notwendigen Erkenntnis kommen, dass wir bei der Verfolgung rechter und rassistischer Straftaten ein strukturelles Problem haben, dann müssen wir dieses Problem auch strukturell beantworten.  Also mit Maßnahmen die tatsächlich dafür sorgen, dass Menschen die von rechter Gewalt betroffen sind auch Hilfe und eben Recht bekommen. Dabei geht es nicht um das Eingreifen in laufende Verfahren oder die Infragestellung der Unabhängigkeit der Justiz, sondern um die Befähigung des Justizsystems aber auch der Polizei rechte und rassistische Straftaten zu erkennen und angemessen rechtsstaatlich auf sie zu reagieren. Die Kritik an den bestehenden Zuständen ist doch immer der erste Schritt etwas zu ändern, zu verbessern und tatsächlich ein System zu schaffen, das allen hier lebenden Menschen gerecht wird.

Und da müssen wir vielleicht selbstkritisch anmerken, dass wir dafür in den letzten Wochen und Monaten zu wenig Druck gemacht haben. Den braucht es aber aus meiner Sicht um hier weiter zu kommen. Die Veränderungen die in den letzten Jahren angestoßen worden sind, kamen nicht von allein, dazu brauchte es das Engagement und die Überzeugungsarbeit von vielen. Und es braucht einen Katalog an Maßnahmen den wir endlich umsetzen müssen. Dabei geht es bspw. um die Frage ob in Verfahren gegen Neonazis sogenannte Deals gemacht werden dürfen, ob da nicht immer zwingend die Nebenklage einbezogen werden muss? Da geht es um die Etablierung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Rechtsextremismus und die Frage von Weiterbildungsangeboten für Richter*innen und Staatsanwält*innen in diesem Bereich. Da geht es um die Frage ob es nicht endlich Zeit ist für einen Forschungserlass für Justiz und Polizei.  Also die Öffnung für die Wissenschaft! Dann können wir auch ganz fundiert klären wo die Probleme liegen und sie bekämpfen. Da geht es um ein Demokratiefördergesetz auf Landes- und Bundesebene das die vielen wichtigen Projekte und Initiativen im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, die extrem Rechte und für Demokratie stärkt und stabilisiert.

Und am wichtigsten: am Ende geht es immer um die Würde einzelner Menschen, ganz konkret um Artikel 1 des Grundgesetzes der sagt das der Staat verpflichtet ist diese Würde zu achten und zu schützen. Wenn wir Nazis Raum geben, dann nehmen wir uns Raum, dann machen wir das Leben verschiedener Menschen in dieser Gesellschaft eng. Wir nehmen ihnen Freiheit und wir nehmen ihnen Würde! Und das dürfen wir, das darf aber insbesondere ein Rechtsstaat nicht hinnehmen!