Fast neun Stunden berichtete eine Auswerterin des Bundeskriminalamtes am Dienstag,
den 18.01.22 detailliert wie sich die italienische `Ndrangheta in Thüringen festsetzte.
Dabei ließ die Expertin keinen Zweifel, dass die Mafia-Organisation Mitte der 1990er Jahre einen
Stützpunkt – eine so genannte „Locale“ – in der Thüringer Landeshauptstadt errichtet hat.
Mehr als 30 Jahre lang hatte die Zeugin die ́´Ndrangheta für das BKA beobachtet und Informationen über
diese Organisation zusammengetragen. So konnte sie feststellen, dass die `Ndrangheta gezielt ostdeutsche
Städte wie Erfurt wählten, um sich von da aus in die Region auszubreiten. Die `Ndranghetisti hatten ab 1996
von Erfurt aus ihre Expansionspläne nach München, aber auch nach Osteuropa vorangetrieben.
Die Zeugin berichtete, wie sich die mutmaßlichen `Ndranghetisti als freundliche Italiener und Sponsoren in
der Erfurter Zivilgesellschaft darstellten, Häuser mit viel Geld sanierten, obwohl sie keine Inhaber der
Gebäude waren und offenbar auch Wahlkampfveranstaltungen der CDU sponsorten.
Schockiert sei sie gewesen, dass auch ein Richter vom Amtsgericht Erfurt sehr enge Kontakte zu
mutmaßlichen Mafiosi gehalten hatte. So soll er einem mutmaßliche Mafiosi einen Anwalt vermittelt und
über laufende Ermittlungsverfahren informiert haben. Diese gewonnenen Informationen stellte das
Bundeskriminalamt damals der Staatsanwaltschaft Gera zur Verfügung. Wie die Staatsanwaltschaft damit
umging, wusste die Zeugin nicht.
Auch über das plötzliche Ende des Strukturermittlungsverfahrens FIDO waren die Zeugin und das
Bundeskriminalamt sehr erstaunt. Sie erinnerte sich, dass es aus Thüringen hieß, hier seien die Ermittlungen
nicht mehr erwünscht. Deshalb seien alle verdeckten Ermittlungen eingestellt worden. Offene Ermittlungen
gab es trotz vielversprechender Ansätze nicht mehr. Nach dem Wissen der Beamtin war FIDO spätestens 2004 beendet.