Kommunal unterwegs

Ilmenau hat Platz!

Solidarität statt Abschottung – Geflüchtete von den griechischen Inseln evakuieren

Aufruf zur Demonstration am 05.10. 2020 18 Uhr Wetzlarer Platz Ilmenau

Die Situation an den europäischen Außengrenzen und insbesondere an der Grenze von Griechenland zur Türkei spitzt sich immer mehr zu. Ein Drittel aller Geflüchteten in Griechenland ist in Aufnahmelagern auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos untergebracht.
In der Nacht des 08. auf den 09. September 2020 brannte das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nahezu vollständig nieder. Vorangegangen waren Monate beispiellosen Grauens, in denen im und um das für maximal 2840 Geflüchtete ausgelegte ehemalige Militärlager Moria über 12.000 Menschen, darunter rund 4000 Kinder, ein menschenunwürdiges Leben in prekären Bedingungen fristen mussten.
Tausende Geflüchtete lebten eingepfercht auf etwas, was die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen treffend als „Gefängnisinsel“ bezeichnet: Ohne ein befestigtes Dach über dem Kopf, nur in Zelten oder behelfsmäßigen Hütten, ohne Zugang zu ausreichend medizinischer oder infrastruktureller Versorgung. Es herrschte Mangel an allem –wettersichere Schlafplätze, Sanitäranlagen, Nahrung, sauberem Trinkwasser, Hygieneartikeln, medizinischem Fachpersonal, Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche, … Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Der Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie bedeutet für die Geflüchteten in den griechischen Lagern eine zusätzliche Gefahr.
Die Lager sind heillos überfüllt, Abstandhalten oder gar das Einhalten von Hygienemaßnahmen ist dort unmöglich. Weder gibt es ausreichend Wasser noch sind Schutzbekleidung, Handschuhe oder Schutzmasken verfügbar.
Nun bleibt ihnen nicht einmal mehr das Existenzminimum.
Ein verheerender Brand zerstörte ihre notdürftigen Behausungen, ihr spartanisches, durch Flucht und Verfolgung gerettetes Eigentum und einen Großteil der viel zu gering vorhandenen Infrastruktur. Tausende stehen
vor dem absoluten Nichts, ohne Dach, ohne Nahrung und Wasser, ohne Hygiene-und medizinische Infrastruktur. Nach übereinstimmenden Berichten von NGOs verschärft der griechische Staat durch Behinderung der Versorgung der Geflüchteten die Lage noch zusätzlich. Mit zunehmend fallenden Temperaturen und einer pandemischen Seuche, die potenziell tödlich bereits vor seiner Zerstörung im Lager um sich griff, ist es ohne ein schnelles und entschiedenes Handeln nur eine Frage der Zeit, bis aus Europas größtem Elendslager Europas größter Friedhof wird.
Noch besteht die Chance, dieses Schreckensszenario zu verhindern und die Zerstörung des Lagers Moria als letzten Weckruf hin zu einer humanitären und würdevollen Aufnahme von Geflüchteten aufzufassen. Doch muss schnell gehandelt werden, möchte man das Schlimmste verhindern.
Auf rassistische Ressentiments und politisches Kalkül zynischer Machthaber darf keine Rücksicht mehr genommen werden. Wenn sich einige Mitgliedsstaaten einer gesamteuropäischen Lösung verweigern, müssen einzelne Staaten umso entschlossener handeln. Kein Staat der EU ist hierbei besser geeignet, eine organisatorische und moralisch
wirksame Führungsrolle zu übernehmen als die Bundesrepublik Deutschland. Für die bevölkerungsreichste und umsatzstärkste Wirtschaftsnation der EU wäre es ein Leichtes, alle Menschen aus Moria aufzunehmen. Dass es hierfür weder an potenziellen, finanziellen noch
an infrastrukturellen Mitteln mangelt, zeigen die Summen der Corona-Hilfspakete und die Reiserückholaktionen im Frühjahr. Zwar hat die Bundesregierung kürzlich angekündigt gemeinsam mit anderen EU-Staaten 1.000 bis 1.500 dringend Behandlungsbedürftige oder unbegleitete Kinder aus dem Grenzgebiet aufzunehmen. Dies ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Ein Ende der dramatischen Situation ist nicht absehbar, gerade mit Blick auf den Konflikt in Syrien. So wurden erst kürzlich fast eine Million Menschen aus der Region um Idlib vertrieben und kampieren seit mehreren Monaten an der syrisch-türkischen Grenze – darunter 569.000 Kinder. Das „Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten“ (OCHA) spricht von „der schlimmsten humanitären Krise im Nordwesten Syriens seit Beginn des Krieges 2011“.
Es ist daher dringend Zeit zu handeln und die Verantwortung auf allen staatlichen Ebenen zu übernehmen. Abschottung darf keine Antwort auf humanitäre Notlagen sein. Mehrere Länder, darunter Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Berlin haben sich bereit erklärt, sofort Menschen aus den Lagern Schutz zu gewähren. Auch der Freistaat Thüringen ist bereit, ein Kontingent von besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden aus den Lagern in Griechenland aufzunehmen. Thüringen und seine Kommunen verfügen über ausreichend Unterbringungskapazitäten und Kompetenzen bei der Versorgung von Geflüchteten in Deutschland, um diese Menschen aufzunehmen und der internationalen Verantwortung für den Flüchtlingsschutz nachzukommen. Auch Thüringen steht hier in der Verantwortung. Deshalb brauchen wir jetzt ein Thüringer Aufnahmeprogramm in Kooperation mit dem UNHCR
für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge.

Ilmenau soll daher seinen Beitrag leisten und die Bereitschaft erklären, Geflüchtete vor Ort aufzunehmen. Wir fordern daher:

  • Die Bundesregierung muss es aufnahmewilligen Bundesländern, Städten und Gemeinden ermöglichen Geflüchtete auch jenseits bestehender Regularien aufzunehmen.
  • Die Bundes- und Landesregierung muss Städte und Gemeinden bei der Aufnahme von Geflüchteten unterstützen.
  • lmenau soll sich zum sicheren Hafen erklären. Dieses Bekenntnis ist weit mehr als ein symbolischer Akt, es zeigt durch unmittelbare Handlungsbereitschaft, dass die kommunale Politik die Bundesregierung laut zum Handeln aufruft. Dem Ilmenauer Stadtrat liegt diesbezüglich bereits ein Antrag der Fraktion BürgerBündnisGrün vor, welchen es uneingeschränkt zu unterstützen gilt. In anderen Stadt- und Gemeinderäten des Ilm- Kreises sind die Abgeordneten dringend dazu angehalten, diesem Beispiel zu folgen und diese Initiative schnellstmöglich einzubringen.

Wir wollen mit den andauernden Menschenrechtsverletzungen des europäischen Grenzregimes brechen. Wir wollen, dass sich Szenen wie in Moria nie wieder in Europa wiederholen. Wir stehen ein für eine solidarische, weltoffene und humanitäre Gesellschaft, in der Nächstenliebe und Menschenwürde mehr sind als Lippenbekenntnisse.
Wir haben Platz! Wir lassen niemanden zurück!
Wir sind ein sicherer Hafen!

Unterstützer*innen

  • Bürger.Bündnis.Grün
  • Die LINKE. Ilmenau
  • Flüchtlingsnetzwerk Ilmenau
  • ISWI e.V.
  • Grüne Jugend Ilmenau
  • Ilmenau direkt
  • Jusos Ilm-Kreis
  • Linksjugend [’solid] Ilm-Kreis
  • BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ilm-Kreis
  • Pro Bockwurst
  • SPD Ilmenau
  • Studierendenrat der Technischen Universität Ilmenau
  • Zinxx – Offenes Jugend- und Wahlkreisbüro
  • Madeleine Henfling, MdL BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
  • Christian Schaft, MdL Die LINKE
  • Dr. Herbert Meyer, Pfarrer der katholischen Kirche Ilmenau