Veranstaltung

„#LandLEBEN | Zwischen Kunst und Kirmes – wie kann Kultur im ländlichen Raum gefördert werden?“

In Thüringen gehören mehr als 90 Prozent der Fläche zum ländlichen Raum, hier leben vier Fünftel der Thüringer*innen. Vor welchen Herausforderungen stehen die ländlichen Räume? Welche Potentiale besitzen sie? Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich für die Landespolitik? Mit unserem Fraktionsbeschluss „Leitlinien für die Zukunft der ländlichen Räume in Thüringen“ (https://www.gruene-thl.de/node/7531) möchten wir als bündnisgrüne Landtagsfraktion unsere Ideen für die grüne Gestaltung der ländlichen Räume in den Diskurs geben und mit Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. 

Das Thema der dritten Veranstaltung zu unserem Fraktionsbeschluss #LandLEBEN war Kultur. Kultur ist wichtig, um Bildung zu fördern, Identität zu stärken, Gesellschaft zusammenzuhalten & Regionen lebenswert zu erhalten – genau deshalb wollen wir die Kultur in den Kommunen zukunftsfest machen! Madeleine Henfling, unsere kultur- und medienpolitische Sprecherin, sprach mit Vertreter*innen von Kultur-Initiativen in unserer Online-Veranstaltung „Zwischen Kunst und Kirmes – wie kann Kultur im ländlichen Raum gefördert werden?“ darüber, wie Kulturförderung und -vermittlung im ländlichen Raum gelingen kann, welche Rahmenbedingungen es braucht und welche Schlussfolgerungen sich für die Landespolitik daraus ergeben. Zur Diskussion eingeladen waren Janin Pisarek von der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung / Kulturagent*innen Thüringen, Sylvia Spehr von der LAG Jugendkunstschulen Thüringen e.V. und Alexander Keiner vom Provinzkultur e.V.

Zum Einstieg in die Veranstaltung gaben die Referent*innen einen kurzen Input zu ihren jeweiligen Organisationen und deren Arbeit. Alexander Keiner vom Verein Provinzkultur e.V. berichtete über die Entstehung und das heutige Wirken des Vereins, der neben vielen kleineren Projekten das jährlich stattfindende Kunst- und Literaturfest „Provinzschrei“ im Thüringer Wald organisiert. Entstanden ist der Verein aus einer Gruppe junger Menschen, die sich vor 21 Jahren zusammenfanden, da sie der Meinung waren, dass in der Provinz nichts passiere und sich dies ändern müsse. Ziel war vor allem die Bindung junger Menschen im ländlichen Raum. 

Sylvia Spehr von der LAG Jugendkunstschulen Thüringen e.V. hob in ihrem Input besonders das neue Projekt des Vereins hervor: Kultur.Acker – Mobile Kulturvermittlung im ländlichen Raum. Der Verein möchte mit dem Projekt generationen- und spartenübergreifend arbeiten und mit Kunst und Kultur den Menschen ermöglichen Selbstwirksamkeit zu erleben. „Das Projekt zielt darauf ab, den sozialen Zusammenhalt im ländlichen Raum sowie demokratische Strukturen zu stärken und Toleranz und zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützen. Darüber hinaus soll das Projekt nicht temporär sein, sondern nachhaltig wirken. Die Projektkonzepte sollen lebendig gehalten werden“, erklärte Sylvia Spehr. Da die Jugendkunstschulen im letzten Jahr mit einem eigenen Haushaltstitel ausgestattet wurden, konnten sie groß denken – aus den 13 Standorten heraus, in die Fläche.

Weiterhin stellte Janin Pisarek von der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung das Projekt „Kulturagent*innen“ vor. Ziel der Kulturagent*innen ist es, an Thüringer Schulen die Teilhabe junger Heranwachsender an Kunst und Kultur zu ermöglichen und zu fördern sowie kulturelle Schulentwicklung anzustoßen. Auch bei diesem Projekt sei ein zentraler Aspekt, an die Lern- und Lebenswelten der Schüler*innen anzuknüpfen. 

In der anschließenden Debatte wurden viele Herausforderungen, mit denen sich die Kulturförderung im ländlichen Raum konfrontiert sieht, herausgestellt. Diese Herausforderungen ergeben sich zum Großteil aus prinzipiellen Fragen wie dem Stellenwert, der Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft zugesprochen wird und der damit eng zusammenhängenden Frage nach der Finanzierung kultureller Projekte und Einrichtungen.

So stelle unter anderem die finanzielle Ausstattung der Kommunen sowie deren Verständnis für die Rolle von Kunst und Kultur eine zentrale Herausforderung für die Kulturförderung im ländlichen Raum dar. Die oft nur kurze Laufzeit von Projekten und die damit einhergehende befristete Finanzierung von Stellen erschwere die Arbeit der unterschiedlichen Organisationen beträchtlich. „Die Akteur*innen der Kulturförderung im ländlichen Raum müssen finanziell besser ausgestattet werden. So könnten Vollzeitstellen geschaffen und Projekte für mehr als zwei Jahre angesetzt werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt, damit unsere Arbeit nachhaltig wirken kann“, so Alexander Keiner. „Darüber hinaus entstehen im ländlichen Raum Mehrkosten wie beispielsweise Fahrtkosten. Diese müssten eigentlich auf das Honorar von Künstler*innen aufgeschlagen werden, um die Arbeit im ländlichen Raum attraktiver zu gestalten“, fügte Janin Pisarek hinzu. „Hier könnte eine Art Ländlicher-Raum-Bonus bei der finanziellen Förderung von Projekten im ländlichen Raum Abhilfe verschaffen“, regte Madeleine Henfling dazu an. 

In Bezug auf den Stellenwert von Kultur wurde in der Debatte hervorgehoben, dass dabei insbesondere die Kulturvermittlung in Schulen eine zentrale Rolle spiele. Hier sei insbesondere die Politik gefragt, Kunst und Kultur so in den Schulen zu verankern, dass Kindern von vornherein eine Wertschätzung dafür mitgegeben wird.

Weitere Aspekte, die aus der Debatte hervorgingen, waren unter anderem die außerordentliche Relevanz einer intensiven Vernetzung der unterschiedlichen Akteur*innen der Kulturförderung im ländlichen Raum. Darüber hinaus müsse man an Veranstaltungen im ländlichen Raum einen anderen Maßstab ansetzen: „Man muss anerkennen, dass Strukturen im ländlichen Raum anders funktionieren als im urbanen Raum und dass man Projekte aus dem Urbanen nicht eins zu eins ins Ländliche übertragen kann. Man sollte die Menschen zunächst damit ansprechen, was sie vor Ort interessiert und kann das Angebot dann Schritt für Schritt auffächern. Dabei geht es allerdings keinesfalls darum, mit einem urbanen Kulturbegriff das zu belächeln, was schon längst an Kultur im ländlichen Raum vorhanden ist, sondern auch darum zu verdeutlichen, was schon alles Tolles besteht“, betonte Sylvia Spehr.

Neben diesen Schwerpunkten wurden in der umfassenden und angeregten Debatte noch viele weitere Herausforderungen, Ideen und Anregungen der Kulturförderung im ländlichen Raum diskutiert. Es gibt viele Punkte, die Madeleine Henfling aus dieser Veranstaltung mitnehmen konnte – seien es die Frage um die Laufdauer von Projekten, die Frage um Stellenaufstockung, ein Ländlicher-Raum-Bonus oder die intensivere Vermittlung von Kunst und Kultur in Schulen. „Es ist immer wieder wichtig für uns einen kleinen Richtungsschubser von den Leuten vor Ort zu erhalten und aufgezeigt zu bekommen, wo genau die Prioritäten liegen. Nur so können wir als Politik an den richtigen Stellen ansetzten“, schloss Madeleine Henfling die Veranstaltung.

Wir bedanken uns herzlich bei Janin Pisarek, Sylvia Spehr und Hendrik Neukirchner für die interessanten Einblicke, bei Madeleine Henfling für die Moderation und natürlich bei allen Teilnehmer*innen für die anregende, konstruktive und spannende Debatte.